Zur Geschichte der früheren Kirchengemeinde Preußen
Die Evangelische Kirchengemeinde Preußen bestand aus den Ortsteilen Lünen-Süd und Lünen-Gahmen.
Begonnen hat ihre Geschichte schon längst vor ihrer offiziellen Gründung. Schon der Name gibt einen Hinweis auf die Entstehungsgeschichte dieser Gemeinde.
Gründung & Namensgebung
Am Ende des 19. Jahrhunderts begann der Aufschwung des Bergbaus. Er zog junge Menschen an, die hier arbeiten und sich eine neue Existenz aufbauen wollten. Hauptsächlich aus Ost- und Westpreußen, aus Schlesien, aber auch aus Österreich-Ungarn und Holland kamen die Menschen ins Ruhrgebiet. Noch heute weisen viele Familiennamen darauf hin. Die erste große Besiedlungswelle war um die Jahrhundertwende und kurz danach, die zweite nach dem Ersten Weltkrieg. Die dritte Welle setzte nach dem Zweiten Weltkrieg ein, nun wuchs auch der Anteil ausländischer Arbeitnehmer. Arbeit gab es reichlich in den umliegenden Zechen Preußen I, Preußen II, Gneisenau und Scharnhorst.
Unser Gebiet gehörte vor allem zum Bereich der Harpener Bergbau AG, die sich durch den Bau von "Kolonien" und anderen sozialen Einrichtungen um das Wohl ihrer Arbeiter und deren Familien kümmerte. Auch die künftige Kirchengemeinde bekam manche Starthilfe, z.B. durch die Stiftung von Baukapital und die Bereitstellung eines Bauplatzes für die Kirche.
Kirchlich gehörten die Menschen damals zu den Muttergemeinden Brechten, Kirchderne und Lünen. Das schnelle Anwachsen der Bevölkerung machte aber bald einen eigenen kirchlichen Mittelpunkt notwenig. Schließlich wurde vom Oberkirchenrat in Berlin die Gründung einer neuen Gemeinde unter dem Namen Preußen in die Wege geleitet.
Im Jahre 1905 wurde die Gemeinde Preußen dann gegründet. Nun wurde auch bald der Bau einer Kirche in Angriff genommen. Schon am 9. Juni 1907 konnte der Grundstein gelegt werden, am 6. Dezember 1908 wurde die Kirche eingeweiht. Zu dieser Zeit gehörten schon etwa 3.500 Menschen zur Gemeinde. Und so gab es für Pfarrer Mendel auch viel zu tun: Im Jahr 1908 sind 186 Taufen, 80 Konfirmationen, 37 Trauungen und 63 Bestattungen verzeichnet.
Der 1. Weltkrieg
In das friedliche Wachstum der Gemeinde hinein brach der Erste Weltkrieg. Viele Männer wurden eingezogen, und es gab herzzerreißende Abschiedsszenen auf den Straßen und auf dem Bahnhof Preußen. Der Pfarrer schrieb in der Chronik: "Viele suchten Trost und Kraft im Hl. Abendmahl, manche riefen den Pfarrer in das Haus, wo die Ausziehenden mit ihren Angehörigen noch einmal das Hl. Mahl feiern wollten." Von den 300 Kriegsteilnehmern aus der Gemeinde waren 35 schon bis Ende 1915 gefallen.
Nach der Novemberrevolution 1918 nahmen zurückflutende Truppenteile auch in der Kirchengemeinde Quartier. Es folgten politisch sehr unruhige und schwere Jahre, unter denen auch die Kirchengemeinde litt. Am Karfreitag 1920 war Lünen-Süd Kampfgebiet, als die süddeutschen Reichswehr-Truppen die Kommunisten vertrieben. Es folgte die Zeit der Inflation und die Besetzung des Ruhrgebiets durch Franzosen (Februar 1923 - Oktober 1924), wobei die Grenze zwischen dem besetzten und unbesetzten Teil teilweise durch die Gemeinde verlief.
Einschneidend war für die Gemeinde auch die Stilllegung der Zechen Preußen I und später Preußen II, wovon ein großer Teil der Gemeindeglieder hart betroffen war. Aber trotz der sich verschlechternden wirtschaftlichen Lage entschloss sich die Gemeinde zum Bau eines dringend benötigten Gemeindehauses. am 21.12.1930 fand die Grundsteinlegung und am 8.11.1931 die Einweihung statt.
Der 2. Weltkrieg
Auch die Zeit des Dritten Reiches brachte schwere Zeiten für die Gemeinde. Hatte man nach Zeiten der Not und großer Arbeitslosigkeit zunächst auch hier Hoffnung geschöpft, war die Enttäuschung in den folgenden Jahren umso größer. Als die Deutschen Christen sich auch in Lünen-Süd festsetzen wollten, konnte dies allerdings von bekenntnistreuen Gemeindegliedern verhindert werden. Das Presbyterium stand im Kirchenkampf auf der Seite der Bekennenden Kirche und setzte sich gegen Aushöhlung und Zerstörung der kirchlichen Ordnung zur Wehr.
Im Zweiten Weltkrieg wurden vor allem ab 1941 wieder viele Männer (darunter auch der Gemeindepfarrer Arning) eingezogen. Wieder gab es viel Leid, und viele Gefallene waren zu beklagen. Die Pfarrchronik schließt diese Zeit ab mit den Worten: "Möge Gott es in seiner Gnade schenken, dass diese furchtbare Leidenszeit zu einer Segenszeit für die Gemeinde werde und sie durch so viel Kreuz und Leid zu einer Glaubensgemeinschaft geläutert werde, in der die Liebe Christi reichlich wohnt."
Wiederaufbau & weiterer Verlauf der Geschichte
1947 kam Pastor Dahlhaus in die Gemeinde. In seine Amtszeit fiel u.a. die Beseitigung der Kriegsschäden an den kirchlichen Gebäuden. So wurde im Jahre 1948 unter großen Schwierigkeiten die Kirche, die besonders nach dem Luftangriff 1943 erheblich beschädigt war, wieder in Stand gesetzt. In den Jahren 1951 bis 53 wurde das Kircheninnere neu gestaltet. Nach der Zeit der Not folgte nun ein neuer Anfang. 1954 wurde wegen der wachsenden Gemeindegliederzahl eine zweite Pfarrstelle eingerichtet. Nun gab es zwei Pfarrer in Preußen: Pfr. Probst und Pfr. Dahlhaus.
Gemeindezentrum Gahmen
Der 29. Oktober 1960 weist auf einen neuen Schwerpunkt der Gemeinde hin. An diesem Tag fand nach der Chronik der erste Gottesdienst in Gahmen in der Harkort-Schule (jetzt Vincke-Schule) statt. Es entstand auch dort ein neues Gemeindezentrum, das am 4. April 1964 eingeweiht wurde. Im selben Jahr wurde eine dritte Pfarrstelle eingerichtet, für Gahmen. Diese war in der Zeit von 1967 bis 68 von Pastorin Richter besetzt.
Nachdem die Gemeinde im Jahr 1969 eine Zeit lang ganz ohne Pfarrer auskommen musste, kamen die Pastoren Siebel, Nottebaum und Müller nach Preußen. 1970 wurde eine große Innenrenovierung der Kirche vorgenommen. Altar, Kanzel und Taufstein wurden in hellem Eichenholz neu gestaltet, die Kirche erhielt so ein neues Gesicht.
Weitere Baumaßnahmen
Weitere Baumaßnahmen kamen hinzu: Am 9. April 1973 wurde der Ev. Kindergarten der Gemeinde Preußen eingeweiht, und am 4. Advent 1974 konnte das neue Gemeindezentrum in Gahmen eingeweiht werden, nachdem das alte auf Grund von Bergschäden abgebrochen werden musste. Nach 38 Jahren wurde das Gemeindezentrum Gahmen an der Kümperheide 2 geschlossen. Das Gebäude wurde abgerissen. Wo früher das evanglische Gemeindehaus stand, steht nun das Bürgezentrum Gahmen mit dem Jugendcafe, beides städtische Einrichtungen.
Da das bisherige Paul-Gerhardt-Haus an der Jägerstr. wegen Bergschäden auf längere Sicht nicht mehr nutzbar war, wurde es durch einen modernen Neubau nach den Plänen von Architekt Robert Weiß im Jahre 1984 ersetzt. Außerdem wurde die Kirche in den Jahren 1992/93 unter der Leitung des Architekten Ludger Sunder-Plassmann aus Münster renoviert.
Stetiger Rückgang
Während die Jahre 1975 bis 2005 für die inhaltliche Arbeit der Gemeinde eine große Ausweitung bedeuteten, zeigten erste Vorzeichen den notwendig werdenden Rückbau in der Gemeinde an: mit der Pensionierung von Pfarrer Rolf Lemm wurde die zweite von drei Pfarrstellen gestrichen; die Arbeitszeit der Kirchenmusiker wurde auf finanziellen Gründen gekürzt, die Arbeitszeit der Küster wurden beim Freiwerden radikal gekürzt, 2005 wurde eine Kindergartengruppe geschlossen.
Hatte die Gemeinde in den Hochzeiten 9000 Gemeindeglieder zu verzeichnen, sind diese im Laufe der Jahre auf 4500 gesunken.
So war es ein folgerichter Schritt, dass die Gemeinde Preußen sich aufgrund schwindender Mittel und Ressourcen mit der Nachbargemeinde Horstmar, die einen ganz ähnlichen Verlauf verzeichnet hat, zusammengetan hat.