Die Fenster des Chorraums der Christuskirche

Geschichte der Fenster

Die ursprünglichen Fenster wurden 1913 durch die Fa. Warnecke gefertigt.

1944/45 wurden sie bei den schweren Bombenangriffen zerstört. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden sie - wie die Seitenfenster - durch einfaches strukturiertes Glas ersetzt.

Im Zuge der Innenraumsanierung 1987 wurde der Chorraum im Sinne der Denkmalpflege rekonstruiert. In diesem Zusammenhang gelang auch die Rekonstruktion der Altarfenster auf der Grundlage des vorhandenen Fotomaterials durch die Fa. Otto Peters (Soest).

Das Motiv und seine theologische Herausforderung

Das Altarfenster zeigt die an Leonardo Da Vincis berühmtes Abendmahlsbild angelehnte Szene des letzten Mahles Jesu mit seinen Jüngern.

Doch weicht die Darstellung an einem wesentlichen Punkt sowohl von da Vincis als auch von der biblischen Vorgabe ab: Nicht 12, sondern lediglich 11 Jünger nehmen an der Abendmahlsgemeinschaft mit Jesus teil.

1 Schemel ist leer. Er ist mitten ins Bild vor den Tisch gerückt – Jesus gegenüber.

Es ist – so die Deutung – die Einladung an die Gemeinde, Platz am Tisch des Herrn einzunehmen. Damit werden in der künstlerischen Darstellung die historische und biblische Einsetzung des Abendmahls mit der gegenwärtigen Abendmahlspraxis verbunden: Die Gemeinde feiert in dieser langen Tradition heute ihre Gemeinschaft mit Christus.

Die künstlerische Darstellung ist allerdings nicht unproblematisch. Denn es wird nicht einfach ein Stuhl für die Gemeinde dazu gestellt. Das wäre eine künstlerische Option gewesen, um diesen Gedanken umzusetzen. Sondern für die Gemeinde musste Judas den Platz räumen. Der „Verräter“ wird aus der Abendmahlsgemeinschaft ausgeschlossen. Dabei gehört es zu einem Wesensmerkmal der biblischen Überlieferung, dass Jesus zwar weiß, dass Judas ihn an die Priester überliefern wird und dies auch im Kreis der Jünger ausspricht, ihn aber trotzdem teilnehmen lässt am Abendmahl. Er wartet eben nicht, bis Judas weggegangen ist. So weist das Abendmahl in den Evangelien auf den Aspekt von Vergebung und Versöhnung.

In Fensterbild der Christuskirche nimmt die Gemeinde den Platz des Judas ein. Leider ist nicht bekannt, welche Gedanken die Künstlerin bewegt haben. So lässt sich trefflich philosophieren:

• Ist die Gemeinde besser als Judas und darf sie deshalb seinen Platz im Jüngerkreis annehmen? Dies wäre hochmütig und ließe sich mit der biblischen Tradition nicht gut vereinbaren.

• Darf die Gemeinde diesen Platz einnehmen, obwohl sie nicht besser als Judas ist? Darf sie also umkehren und Vergebung erwarten? Judas hat dies nicht tun können. Er hat sich nach der biblischen Überlieferung aus Verzweiflung das Leben genommen.

• Ist der leere Platz des Judas Aufforderung und Mahnung, es „besser“ zu machen als Judas und den Herrn nicht zu verraten? Wäre das Bild also auch eine Mahnung an die versammelte Gemeinde?

Das Bild ist sicher für weitere Deutungen offen. So regt es nicht nur zum Widerspruch an, sondern auch zum Nachdenken – und eröffnet so neue Dimensionen der Gemeinschaft des Abendmahls, ohne die Kirche nicht denkbar ist.

Winfried Moselewski (Pfarrer der Kirchengemeinde bis 2017)